Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus überraschte den Landtag am 06. Dezember des Vorjahres mit einem sehr grossen Nikolaus-Sack. Er erklärte, dass das Land die bislang durch einen französischen Strom-Konzern gehaltenen 45,01 % der EnBW-Anteile übernehmen wird. Ende des Jahres wäre der Konsortialvertrag zwischen den beiden Hauptaktionären Electricité de France (EDF) und dem Zweckverband Oberschwäbischer Elektrizitätswerke OEW (einem Zusammenschluss von 9 Landkreisen) ausgelaufen. Mit diesem Vertrag wurde bislang der Einfluss der Franzosen auf die Energieversorgung des Landes Baden-Württemberg beschränkt. Nach Ansicht des Ministerpräsidenten Stefan Mappus ist deshalb Handlungsbedarf vorhanden gewesen. So betonte dieser, dass das Land "frühzeitig und vorausschauend gehandelt" habe. Ein solcher Handlungsbedarf wird etwa auch durch die Aussage des stellvertretenden Ministerpräsidenten und Justizministers Ulrich Goll (FDP) untermauert, wonach nur er vorzeitig von diesem Ankauf gewusst habe. Nicht einmal der Finanzminister, Willi Stächele (CDU), sei bis wenige Stunden vor Vertragsunterzeichnung eingeweiht gewesen, so Goll gegenüber der Zeitung "Heilbronner Stimme". Die Opposition zeigt sich hierbei zwar einerseits erfreut, gelangt dadurch doch ein Atomstrom-Konzern wieder in die unmittelbare Entscheidungssphäre der Landespolitik. Andererseits allerdings sind gewisse Umstände, die zu diesem Milliarden-Deal führten noch unbeantwortet. Das grösste Unverständnis liegt wohl in der Beauftragung von Morgan Stanley, ohne dass zuvor eine Ausschreibung erfolgt ist. Der Landesrechnungshof liess verlauten, dass eine solche Ausschreibung nicht unbedingt vonnöten sei - eine genaue Überprüfung stehe allerdings noch aus. Immer mehr Vergaberechtsexperten orten aber trotzdem hierin ein Problem. So sehen zwar die Vergaberichtlinien des Landes die Umgehung einer Ausschreibung vor, wenn Dringlichkeit oder Geheimhaltung geboten sind (§ 3 Pkt. 4 der "Allgemeinen Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen" Vol/A). Doch war eine solche Dringlichkeit wirklich gegeben? Dies ist auch die Ansicht der Opposition: Wollte Mappus den Kauf noch vor der Landtagswahl unter Dach und Fach bringen? Hinzu kommt das Naheverhältnis des Ministerpräsidenten zu Dirk Notheis, dem Vorstandsvorsitzenden Deutschland von Morgan Stanley. Die Landeshaushaltsverordnung verpflichtet die Regierung zum Einhalten der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Deshalb hätten eigentlich mehrere Angebote eingeholt werden müssen. Worum es hierbei geht sind beileibe keine Peanuts. So zahlt das Land Baden-Württemberg für die Anteile 4,67 Milliarden Euro (plus Garantien und Erwerbsnebenkosten runde 5,9 Mrd. Euro - auch den Kleinaktionären muss ein Übernahmeangebot gestellt werden). Üblicherweise erhält der Vermittler zwischen 0,8 bis 1,5 % des Transaktionsvolumens. Aktien-Verkäufe wickeln üblicherweise Investmentbanken ab. Der französische Konzern hätte somit seine 45,01 %-Anteile verkauft, das Land diese gekauft. Sollte es hierbei zu zusätzlichen Nebenabsprachen gekommen sein, so könnte dies nochmals zusätzliche Einnahmen im zweistelligen Millionenbereich für Morgan Stanley bedeuten, meinen Investment-Banking-Experten gegenüber des Handelsblattes. Ministerpräsident Mappus betont, dass der Preis von 41,50 € pro Aktie durchaus fair sei. Das Land erwerbe die Kontrollrechte, was auch die 18 % rechtfertige, die über dem Börsentitel bezahlt wurden. Nach Angaben von Morgan Stanley durchaus Usus in Deutschland, wenn man etwa einen Mitbieter ausstechen wolle. Doch gab es bei diesem Geschäft keinen Mitbieter! Das Paket galt aufgrund der vielen kommunalen Aktionäre als schwer verkäuflich, was auch Investor-Riesen aus Russland (wie etwa die Gazprom) abschreckte. Die Steuerzahler werden auch flugs besänftigt: Das Geschäft soll über eine Anleihe finanziert werden. Die Zinsen werden durch die Dividende gedeckt - Otto Normalverbraucher sollte dadurch also aussen vor bleiben. Die EnBW schüttete zuletzt 1,53 % aus - die erforderlichen 1,25 % sind demnach durchaus im Bereich des Möglichen. Doch bezweifeln Analysten, dass eine solche Höhe auch künftig ausgeschüttet werden kann. Denn schliesslich wird die Kampfkasse des Konzerns durch die Brennelementesteuer und die Abgaben für den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht unwesentlich belastet. Daneben sind die Preise im Stromgrosshandel gefallen, bei den Emissionen hingegen gestiegen. Mappus verfolgt durchaus hehre Ziele: Die EnBW soll zum vierten Dax-Konzern des Landes avancieren - das Aktienpaket nach und nach über die Börse gehandelt werden! Was aber etwas schwierig werden dürfte, da das Land auch weiterhin die Kontrollrechte behalten möchte. Dies ist nur dann möglich, wenn der Zweckverband OEW weiterhin Grossaktionär bleibt und möglichst viele Stadtwerke oder Regionalversorger einsteigen. Beim OEW aber kriselt es inzwischen selbst. Kritisieren doch die neun grünen Kreisräte, dass OEW-Geschäftsführer Kurt Widmaier (CDU) und die Geschäftsführerin der OEW-Energie-Beteiligungs GmbH, Barbara Endriss, das Angebot zum Ankauf von Aktien durch das Land sozusagen im engsten Kreise abgeschlagen haben. Hier wäre ein dreistelliger Millionen-Gewinn machbar gewesen, der perfekt in den Ausbau erneuerbarer Energien hätte investiert oder im Rahmen der angespannten Finanzsituation so mancher Gemeinde eingesetzt werden können. Andererseits verliere jetzt die OEW an Einfluss. So hätte zumindest der Ankauf weiterer Anteile durch die OEW in den Kreistagen diskutiert werden müssen. Endriss selbst meint: "Nach unserer Satzung haben die Kreistage keinerlei Rechte!" Doch sei auch sie erst kurzfristig über den Plan des Landes informiert und dadurch selbst überrascht worden. Die Strommanager selbst sehen dem Ankauf vor den Landtagswahlen mit Sorge entgegen. Was geschieht, wenn tatsächlich eine rot-grüne Regierung gebildet wird? So hat etwa der Spitzenkandidat der SPD, Nils Schmid bereits angekündigt, die beiden Reaktoren Neckarwestheim und Philippsburg vom Netz zu nehmen, wenn die CDU die Wahlen verlieren sollte. Und die letzten Umfrage-Ergebnisse sprechen durchaus dafür, dass es - erstmals nach 58 Jahren - zu einem Regierungswechsel kommen könnte, liegen doch CDU/FDP und SPD/B90/Grüne/Linke beinahe gleich auf. Es geht also auch um Arbeitsplätze. Hier hat Mappus den Mitarbeitern bereits versprochen, dass sich das Land aus dem operativen Geschäft heraushalten werde! Justizminister Ulrich Goll (FDP) und Staatsminister Helmut Rau (CDU) werden die Sitze neben drei externen Kontrolleuren im Aufsichtsrat für die Landesregierung einnehmen, was zu erneuten Protesten der Grünen, der SPD und der Gewerkschaft führten. Die Grünen wollten vorerst die Wahlen abwarten, während die SPD und Verdi kritisieren, dass keinerlei Frauen (auch bei den externen Kontrolleuren) dabei sind. Die Aufsichtsräte werden für jeweils fünf Jahre gewählt. Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 4 KW 6 | 09.02.2011 |
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